Generation Z

Linie International 01/2020: Generation Z
Sie sind zu jung, sie haben kein Geld, sie sind nur mit ihrem Handy beschäftigt, sie kaufen ohnehin online und sind per se nicht facbhandelsaffin: Gegen die Generation Z gibt es viele Vorbehalte. Viele Unternehmen blenden Schüler, Auszubildende und Studierende als Zielgruppe komplett aus.
Ein Fehler, meint unsere Expertin Gabriele Hobmaier. Warum es sich lohnt, sich intensiv mit dieser Altersgruppe auseinanderzusetzen, wie man sie in den Laden bekommen kann und warum das so unbedingt notwendig ist, verrät sie im LINIE INTERNATIONAL-Interview.

Frau Hobmaier, warum ist die Generation Z so wichtig?
Wir haben von den Händlern eine Altersgruppenauswertung angefordet. Das war sehr spannend, denn es kamen Zahlen raus, die uns sehr überrascht haben.
Exemplarisch nenne ich hier einen Händler, bei dem die Zahlen sehr deutlich gezeigt haben, worum es geht. Bei ihm wurden 69% des Umsatzes von den Jahrgängen älter als 1944 und den Babyboomern generiert. Auch, wenn es nicht gleich 70% des Umsatzes sind: Diese Altersgruppen sind momentan sehr stark und tragen den Fachhandel.
Das lässt natürlich die Alarmglocken schrillen, denn diese Gruppen werden über kurz oder lang in sich zusammenfallen – zum einen weil sie als Kunden komplett wegfallen, zum anderen aber auch, weil sie in Rente gehen und sich die Lebensumstände und das Einkaufsverhalten durch das fortgeschrittene Alter signifikant ändern.
Die Generation X mit 25%, die Millennials mit 5% und die Generation Z mit 1% fallen in den Umsatzstatistiken kaum ins Gewicht. Wenn man bedenkt, dass allein die Generation Z in Deutschland 15% der Bevölkerung ausmachen – weltweit sind es sogar 32% – wird mir Angst und Bange.
Es ist also elementar, diese Altersgruppen frühzeitig anzusprechen und in den Laden zu bekommen.

Wie kauft die Generation Z denn?
Zuerst die Frage, wo sie kauft: Bei H&M, Intimissimi, Calvin Klein und Hunkemöller. Diese Marken sind ihnen vertraut, kommen in den Medien, mit denen sie aufgewachsen sind, immer wieder vor. Die Generation Z kommuniziert über TicToc, Snapchat und Instagram. Dabei sammeln sie sehr viele Informationen, auch über Produkte.
Anderseits sind sie leicht abzulenken: Sie schauen Netflix, haben dabei noch das Handy in der Hand und ein Buch auf dem Schoß zum lernen – es ist eine Multitask-Generation.

Wenn man in verschiedenen Studien liest, dass die Generation vor allem an Spaß und Unverbindlichkeit interessiert ist, bekommt man den Eindruck einer schwer zu erreichenden Zielgruppe.
Das stimmt und wieder nicht. Weirere Schlagworte sind nämlich Familienzusammenhalt und Markentreue. Die Eltern sind die größten Vorbilder und „Influencer“. Das heißt, dass ich auch hier ansetzen kann: Wenn die Mutter die Tochter in ihr Fachgeschäft einführt, kommt die Generarion Z später wieder. Und kauft auch einen Schuh oder Dessous für über 200 Euro – wenn der Artikel begehrlich ist, ist der Preis egal. Er muss das Bedürfnis, sich für die sozialen Medien und sein Umfeld in Szene zu setzen, befriedigen.
Die Generation Z hat viele Wahrheiten und viele Interessen, ist neugierig. Sie ist einfacher als die Generation davor, denn sie ist dem Handel wieder zugewandt. Aber man muss sie verstehen und auf ihre Bedürfnisse eingehen sich also intensiv mit dieser Gruppe beschäftigen.

Und was kann ich als Fachhändler konkret tun, um diese Generation zu erreichen?
Wenn man weiß, dass der Wunsch nach Ungezwungenheit und Unverbindlichkeit für die jungen Leute wichtig ist, kann man darauf reagieren und zum Beispiel auf eine Vollberatung verzichten.
Wenn man den Platz hat, ist eine „Trend Corner“ zum Beispiel eine Idee: Man gliedert einen Teil der Fläche aus dem Gesamtkonzept aus und bespielt sie mit jungem Personal, hippen Marken und trendiger Musik.
Wichtig ist auch, informiert zu sein, denn die Generation Z weiß Bescheid. Sie ist permanent im Netz unterwegs und kennt Marken, deren Namen wir noch nie gehört haben.
Die jungen Leute sind offen und begeisterungsfähig – wenn man sie also auf dem richtigen Fuß erwischt, hat man sich treue Kunden erarbeitet. Auch die Markenauswahl sollte darauf aufbauen und insgesamt jünger sein.

Und wenn ich die Generation Z direkt erreichen will?
Die Brands machen es vor: Die, die bei der Genration Z erfolgreich sind, investieren viel in Marketingaktionen. Auch für den Händler ist es wichtig, ein junges „Drumherum“ zu schaffen. Oft hilft es, auf die DOB zu schauen, um Trends zu erkennen.
Gut aufgegangen ist zum Beispiel das Konzept von Levis: Sie haben an einer „Print-Bar“ die Möglichkeit geschaffen, Produkte zu personalisieren. Ein anderes Beispiel ist die „Waste Race“-Kampagne von Adidas: Sie versucht, Jogging neu zu erfinden und trifft mit der Idee, während des Laufens Müll einzusammeln, den Wunsch der Generation, ihr Leben mit Sinn zu füllen.

Wie sieht das ganz konkret im Fachhandel aus?
Unsere Herausforderung auf den Flächen ist es, auf diese Generation einzugehen. Es muss junges Personal da sein, das die gleiche Wellenlänge hat und genügend Freiraum lässt. Es muss besondere Inszenierungen geben für die junge Generation, die die sich in Szene setzen will – und auch der Spaßfaktor darf nicht zu kurz kommen. Eine schwierige Aufgabe – aber nicht unlösbar.

Wie reagieren Handel und Industrie?


Junge Leute darf man nicht unterschätzen. Natürlich geht es in der Wirtschaft immer ums Geld – aber gerade da haben die Jungen heute viel mehr im Portemonnaie als wir damals.
Sie sind auch wesentlich bewusster was das Luxus-Gefühl betrifft. Luxus ist nicht mehr altersabhängig, auch junge Leute möchten sich etwas Gutes tun und sind gewillt, dafür Geld auszugeben.
Natürlich wird eine Teenagerin vielleicht nicht den Bon generieren, den eine 40-Jährige hat. Deshalb macht es Sinn, durchaus auch ein konsumiges Preissegment anzubieten. Insgesamt braucht man immer Produkte, die auch die Altersgruppe der Generation Z ansprechen.
Natürlich ist es unser Wunsch, diese nächste Generation anzulocken. Lisca bietet mit Cheek auch eine Preislage, die auch dieser Generation angemessen ist. Luxus allein trägt den Fachhandel nicht mehr. Die Älteren werden irgendwann nicht mehr als Kunden zur Verfügung stehen. Deshalb sind gerade die Jungen eine besondere Herausforderung, denn sie sind unsere Zukunft. Und oft ist es so, dass die Design-Planung und Realität auseinandergehen: Ein für eine ältere Zielgruppe gedachtes Produkt kann auch auf Gegenliebe bei der fashionaffinen jungen Generation finden und auf einmal zum Selbstläufer werden.
Claus Ostertag – Vertriebsleiter Lisca


Selbst wenn die Generation Z noch kein Thema für Nina von C. ist, wird sie es werden, da auch diese Generation älter wird. Unsere Kollektion like it! ist schon auch für die Generation Z gedacht sowohl von den Preislagen als auch der modischen Aussage. Die Slip-Preise liegen größtenteils unter 10 Euro und sind daher interessant, auch wenn man noch nicht soviel verdient oder in der Ausbildung ist.
Das Interesse der Generation Z an Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung bestärkt uns in unserer Haltung zu diesen Themen. Wir hoffen, daß dadurch diese extremen Preisdebatten geringer werden. Im Moment sehe ich die Generation Z allerdings eher weniger im Fachhandel, sondern digital und bei den Vertikalen.
Nichtsdestotrotz müssen Fachhandel und Industrie versuchen, diese Generation in den Fachhandel zu bekommen, sonst geht diese Kaufkraft für den Fachhandel verloren. Der Handel unternimmt hier auch schon viel. Da sich die Generation Z auf jeden Fall vor einem eventuellen Kauf im Netz orientiert, ist als Wäschefachhändler Präsenz dort Pflicht auf möglichst vielen Kanälen des Social Media. Ich denke auch, daß die Generation Z durchaus am Retail interessiert ist, dieser muss jedoch neue Inspiration und ein Einkaufserlebnis bieten.
Doris Biedermann – Nina von C.


Die Generation Z ist definitiv eine Herausforderung. Die von der Generation erwarteten niedrigen Durchschnittspreise sind schwierig – und auch die Auswahl der Marken ist es. Die Schüler und Studenten sind sehr stark bei Hunkemöller, Calzedonia und Intimissimi unterwegs, sie mögen die bildstarke Präsentation. Dass das wichtig ist entdecken auch immer mehr Wäschehersteller. Wir bei Wöhrl nehmen wahr, dass sie verstärkt versuchen, diese Generation anzusprechen und begrüßen das sehr. Wir profitieren mit, wenn Hersteller die sozialen Medien für ihr Productplacement nutzen und Begehrlichkeiten wecken, denn die Generation Z ist sehr stark markenorientiert. Dabei ist es aber nicht wie früher, als es nur eine bestimmte Marke sein musste, denn das Modediktat geht heute viel weiter: Die Jugendlichen wollen nicht nur ein bestimmtes Teil in einer bestimmten Ausführung, sondern auch noch genau in der Farbe. Der Hang zum Individuellen ist eher in den älteren Generationen zu finden.
Die Generation Z reagiert hingegen sehr stark auf Emotionen, Inszenierungen und bildgewaltige Aussagen, die in den sozialen Medien verbreitet werden. Wenn man dieses Alter ansprechen will führt kein Weg an der Frage vorbei, welche Brand wie viele Follower hat. Viele Marken haben auch registriert dass man über Influencer-Events weiterkommt: Deren Berichterstattung kann fast schon wie eine 360-Grad-Wendung und eine weltweite Markenkampagne wirken.
Ein Phänomen ist tatsächlich, dass es eine konsumfreudige Generation ist, die auch wieder gerne in Läden shoppen geht. Sie zelebrieren das in richtigen Events, lassen sich von Freundinnen begleiten und sparen vorher auf begehrliche Artikel.
Außerdem ist diese Generation absolut informiert. Sie wissen mehr über das Produkt als der Verkäufer. Das stellt uns vor die neue Herausforderung, ihren Ansprüchen zu genügen. Insgesamt haben wir uns eher auf die Generationen X und die Millennials fokussiert. Das Thema Wäsche ist ohnehin ein wenig „älter“ als die DOB. Diese Generationen sind auch gewillt, andere Preise zu zahlen.
Vivian Pham-Bui – Wöhrl, Nürnberg


Die jungen Leute muss man sich erst heranziehen. Einen Zugang zu dieser Generation bekommt man eigentlich nur über die Mütter, die sie ins Fachgeschäft mitbringen. Meist haben die jungen Mädchen dann außergewöhnliche Größen, wie zum Beispiel eine schmale Unterbrust und einen großen Cup oder sie suchen einen wirklich funktionierenden Sport-BH in speziellen Größen.
Meist haben sie schon eine entsprechende Leidensgeschichte hinter sich: Sie haben bei den Vertikalen anprobiert, tausend mal etwas im Internet bestellt und müssen dann wegen Rückenschmerzen einsehen, dass sie Hilfe brauchen. Die bekommen sie nämlich dort wo sie sonst einkaufen nicht. Sie haben so viele Möglichkeiten – und wenn die Freundinnen eben alle zu H&M gehen, werden dort kichernd BHs anprobiert. Später kommen die Mädchen auch gern ohne Mutter wieder, mit Mutter einkaufen ist ja peinlich. Viele wollen lieber dass ich schaue – ich habe den Eindruck, dass die Mädchen scheuer geworden sind. Sie mögen auch Schalen-BHs lieber. damit niemand die Brustwarzen sieht.
Die Erfahrung, dass die Mädchen zum Vermessen kommen und dann online bestellen haben wir kaum gemacht. Das machen eher die Älteren.
Christiane Pohl – Hautnah Wäsche und Bademode, Köln


Wir bemühen uns nicht mehr darum, die Generation Z gezielt in den Laden zu holen. Früher haben wir das mit jungen Aktionen versucht. Aber noch kann diese Generation wirtschaftlich nicht für sich stehen und ist daher für uns nicht rentabel. Das sieht man schön an den ganz jungen Leuten, die ihren Weg ohne Problemfigur und Mutter zu uns finden: Sie probieren mit viel Spaß die teuersten Sachen an und sagen dann: „Wir wollten nur mal sehen, wie das, was wir auf Insta immer sehen, an uns aussieht.“
Ein Problem ist bestimmt auch, dass Wäsche „drunter“ getragen wird und man sich damit nicht öffentlich in Szene setzen kann und will. Bei Bademode ist das anders, hier geben auch junge Leute mehr Geld aus. Aber bis sie in den Fachhandel gefunden haben, ist es ein weiter Weg: Der Kauf online ist für diese Generation so selbstverständlich, dass man kaum dagegen ankommt. Nur, wenn sie online nicht mehr fündig werden, stehen sie im Laden und verlangen genau dieses Teil in dieser Farbe – und wundern sich dann, wenn wir es nicht vorrätig haben. Außerdem scheint es, als ob der Generation Z unsere Beratungsleistung nicht mehr bewusst ist. Hunkemöller ist für sie ein Fachgeschäft. Da kann man sich natürlich fragen, woran das liegt: Berät der Fachhandel nicht gut genug? Oder liegt es an der extremen Anspruchshaltung in Kombination mit dem Unwillen, wertgemäß zu bezahlen?
Auch der Versuch, den Laden zu „verjüngen“ ist schwierig: Welche genau sind denn die „hippen“ Marken? Und kann ich mir eine junge Verkäuferin nur für dieses Publikum leisten? Denn eine ältere Dame mit Problemzonen nimmt eine 20-Jährige nicht ernst. Das sind die Probleme im Alltag, und ob in 10 Jahren, wenn die Generation auch soweit ist und Beratung brauchen könnte, noch genügend Läden übrig sind – das ist die Frage.
Caroline Kratzsch – Hautnah, Berlin