Mitarbeiter sind unser wichtigstes Gut

In Krisenzeiten zeigt sich besonders schnell, wie gut oder schlecht die Personalsituation in einem Unternehmen ist. Hält die Belegschaft trotz zusätzlicher Herausforderungen zusammen und kämpft für den Geschäftsbetrieb? Oder gehen Angst und Missgunst um und zerstören die Chancen des gesamten Betriebs, die Krise gestärkt zu überstehen? Wir haben mit Wäscheexpertin Gaby Hobmaier über das sensible Thema Personal gesprochen und Tipps für ein starkes Team zusammengestellt.

Frau Hobmaier, gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten ist es ein sehr wichtiges Thema: Das Personal. Warum?
Gerade in der Krise brauche ich gutes Personal. Wer welches hat, kann sich glücklich schätzen, ich weiß von einigen Flächen, die sehr gute Umsätze seit der Wiedereröffnung machen.
Natürlich: Es ist alles sehr anstrengend, zusätzliche Hygienevorschriften und Verkaufsdruck fordern die Mitarbeiter zusätzlich. Da zeigt sich schnell, wer dabei den Spaß am Menschen und seine gute Laune behält. Und da sind wir auch schon beim Grundsätzlichen: Es ist für Mitarbeiter eines Wäschefachgeschäftes oder Modehauses eben nicht nur wichtig, modeinteressiert zu sein. Nicht umsonst kommen viele Quereinsteiger aus sehr menschenbezogenen Berufen. Das ist eine gute Basis, aber Branchenfremde sollten unbedingt richtig geschult werden.
Gerade im Einkauf sehe ich das immer wieder: Es werden Verkäufer befördert, die sich besonders hervorgetan haben. Dann werden sie aber ohne Schulungen und Hintergrundwissen allein gelassen. Sie müssen sich im Alltag komplexe Themen wie Warenwirtschaft autodidaktisch aneignen, um professionell arbeiten zu können. Das gilt auch für das Verkaufspersonal.
Es gibt sehr gute Schulungen durch die Industrie, aber nicht jedes Geschäft hat die Möglichkeit, die Mitarbeiter dorthin zu schicken. Denn schließlich müssen sie dann freigestellt werden und jeder Ausfall kann umsatzwichtig werden. Und bei kleineren Umsätzen kommen die Lieferanten auch nicht ins Haus.
Der Unternehmer muss gut abwägen, meist lohnt es sich, in einen Mitarbeiter zu investieren.

Gerade in der Krise brauche ich gutes Personal.

Was ist momentan wichtig im Umgang mit meinen Mitarbeitern?
Ich denke, es ist die Kommunikation in der Krise: Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter mit, erklären Sie Ihnen, was passiert und kümmern Sie sich. Sie sollten Ihr Personal nicht dem Problem Kurzarbeit und 60 Prozent Gehalt allein lassen. Seien Sie da, zeigen Sie Präsenz und vermitteln Sie das Gefühl, dass Ihre Mitarbeiter nicht allein sind.
Wichtig ist auch die Befriedigung des Sicherheitsgefühls der Mitarbeiter: Legen Sie dar, wie das Vorgehen im schlimmsten Fall ist, wie Sie die Arbeitslast auf alle verteilen, damit niemand sich Sorgen machen muss um seine Stelle.

Ohnehin sind regelmäßige Personalgespräche wichtig, um gemeinsame Wege und Strategien zu entwickeln. Dabei ist eine „Miteinander-Ebene“ wichtig, nehmen Sie Ihren Mitarbeiter mit seinen Sorgen und Vorschlägen ernst und setzen Sie seine Ideen um, wenn sie Sinn machen. So entsteht auch Spaß bei der Arbeit, diese Gespräche nehmen den Druck und das Gefühl, ausgenutzt zu werden. Nutzen Sie solche Gespräche, um echte Wertschätzung auszudrücken und geben Sie ehrliches Feedback.
Der Mitarbeiter wird sofort merken, dass Sie sich Zeit genommen und sich Gedanken über ihn gemacht haben. Melden Sie zurück, wo sie ihn gerade sehen: Wo steht er, wie kann er sich verbessern, welche Hilfen können Sie geben, um seine Schwächen anzugehen?

Das klingt nach intensiver „Menschenkunde“. Habe ich dafür im Alltag Zeit?
Die Zeit sollten Sie sich unbedingt nehmen. Es ist wichtig, die Stärken jedes einzelnen zu erarbeiten und zu fördern. Es macht keinen Sinn, jemandem immer wieder die Warenpräsentation aufzuhalsen, wenn er dafür kein Talent hat. Sie beide werden frustriert sein. Auch einen Mitarbeiter, der im Verkauf nicht hervorsticht, sollte man nicht gleich niedermachen sondern herausfinden, ob er vielleicht in anderen Bereichen eine wertvolle Hilfe sein kann.
Ich bin kein Verfechter von Prämiensystemen für Personal. Das bringt sehr viel Unruhe ins Team, denn es entsteht ein interner Wettbewerb und Ungerechtigkeit. Hier kann keine persönliche Entfaltung entstehen – und gerade die trägt zur Zufriedenheit des Personals bei.

Persönliche Entfaltung – wie setze ich die konkret um?
Ganz einfach: Verteilen Sie Zuständigkeiten. Es ist sinnvoll und entlastet Sie, wenn jeder Mitarbeiter seine eigenen Verantwortungsbereiche hat. Auch, wenn Ihnen dieses Delegieren am Anfang schwer fällt, sollten Sie sich darin üben. Der alte Spruch „Wer will, dass es gut gemacht wird, muss es selbst machen“, ist dann hinfällig, denn ein Mitarbeiter, der eigenverantwortlich und selbstwirksam arbeiten darf, ist ein motivierter Mitarbeiter. Er darf seine Grenzen austesten und sie jeden Tag ein wenig überschreiten – und damit wachsen und den Arbeitsalltag spannend finden. Dann werden auch unangenehme Situationen erträglicher, denn der Mirarbeiter weiß, dass er darüber reden kann und dass er dafür wertgeschätzt wird. So wird aus der Herausforderung, einen mißgelaunten Kunden zu umgarnen, ein Spiel, das Spaß machen kann.

Wertschätzung ist also ein wichtiges Thema. Wo drückt sie sich noch aus?
Auch ein vernünftiges Gehalt ist wichtig. Denn nur, wer sich gut bezahlt fühlt, fühlt sich auch wertgeschätzt. Auch in diesen existenzbedrohenden Zeiten ist es wichtig, sich zu fragen, woran man sparen kann. Das Personal sollte dabei ganz unten auf der Liste stehen. Natürlich gibt es Situationen, in denen es nicht anders geht. Aber wenn der Mitarbeiter weiß, dass Sie vorher wirklich alles versucht haben, wird er ganz anders auf Gehaltskürzungen oder Kurzarbeit reagieren.
Die Krise ist auch eine Chance für das allgemeine Geschäftsgebaren: Jetzt zeigt sich, wo die Stellschrauben sind, an denen ich drehen kann, ohne dass mein Personal zu kurz kommt. Ganz übertrieben: Zeigt sich zum Beispiel, dass die Kunden auch gut ohne teures Premiumevent mit Champagner und Kaviar auskommen?

Stichwort Ausbildung : Ist das wirklich eine Möglichkeit, sich Mitarbeiter heranzuziehen?
Ja, unbedingt. Wer Perspektiven bieten kann, sollte sich auch als kleines Fachgeschäft überlegen, einen Auszubildenden in die Branche einzuführen. Dabei ist wichtig, das Berufsfeld spannend zu beschreiben und auch Weiterbildungen und Aufstiegschancen in Aussicht zu stellen. Nur so wird der Auszubildende auch bleiben.
Größere Häuser sollten die Auszubildenden rollieren lassen, damit sie alle Bereiche kennenlernen. Wenn sich jedoch jemand als sehr gut geeignet für einen bestimmten Bereich herausstellt, kann man auch hier schon einen Schwerpunkt setzen und die Talente fördern.

Gerade den jungen Leuten ist die Work-Life-Balance wichtig. Dafür muss man die ausgetretenen Pfade verlassen und sich von den Kategorien „Vollzeit- oder Teilzeitkraft“ lösen. Es ist wichtig, die einzelnen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Das ist gar nicht so kompliziert, wie es meist aussieht.
Sie können sogar überlegen, den Mitarbeitern selbst die Planung zu überlassen. Meist klappt das erstaunlich gut und Sie fördern so den offenen Umgang untereinander. Und wenn Sie Ihren Auszubildenden für Ihren Beruf und Ihr Unternehmen begeistern können, haben Sie schon gewonnen.

Was erwidern Sie Inhabern, die sagen: .. Ist ja alles schön und gut, ich soll mein Personal hegen und pflegen – aber das bringt mir alles nichts, wenn ich keinen Umsatz generiere“?
Ein gut motviertes, geschultes Personal bringt automatisch Umsatz. Natürlich muss ich auch Nebenbereiche wie Zusatzverkäufe schulen. Aber wenn mein Personal hinter mir steht, habe ich schon die halbe Miete. Denn: Personal ist im stationären Einzelhandel unser wichtigstes Gut. Das darf man nicht vergessen.

Vielen Dank. Frau Hobmaier!